Atomuhr
Eine Atomuhr ist
eine Uhr, deren Zeittakt (meist ein Mikrowellensignal) mit
atomaren Schwingungszuständen abgeglichen wird. Da die Frequenz
solcher Schwingungen konstant ist und sehr genau bestimmt werden
kann, sind Atomuhren die bislang genauesten gebauten Uhren. Aus
den Messwerten von über 260 Atomuhren von über 60 weltweit
verteilten Instituten legt das "Bureau International des
Poids et Mesure" (BIPM) in Paris die "Internationale
Atom Zeit" (TAI) als Referenzzeit fest.
Funktionsweise
einer Atomuhr
Als atomarer Übergang wird häufig der Hyperfeinstruktur-Übergang
F=4, mF=0 ? F=3, mF=0 des 2S1/2-Grundzustandes eines 133Cäsium-Atomes
verwendet. Dieser Übergang hat eine Frequenz von 9,192631770 GHz.
1967 wurde die SI-Einheit Sekunde über diesen Wert festgelegt.
Solange die Temperatur des Cäsiums nicht extrem niedrig ist (in
der Größenordnung 1 mK), sind beide Zustände etwa gleich
besetzt. Um den Übergang messen zu können, muss einer der Zustände
selektiert werden. Das geschieht entweder dadurch, dass man einen
Atomstrahl durch ein starkes, inhomogenes Magnetfeld schickt,
oder durch optisches Pumpen mit Laserlicht.
Der zweite Hauptbestandteil einer Atomuhr ist ein
Mikrowellenresonator, in dem Übergänge zwischen den beiden Zuständen
stattfinden können. Nach der Wechselwirkung mit dem
Mikrowellenfeld wird schließlich die Besetzung des anfangs
ausselektierten Zustands gemessen. Wenn die Frequenz des
Mikrowellenresonators mit der Frequenz des Übergangs übereinstimmt,
erhält man ein Signal-Maximum.
In neueren Atomuhren arbeitet man mit langsameren Cäsium-Atomen,
um die Genauigkeit zu erhöhen. In der "Cäsium-Fontäne"
werden Cäsiumatome zunächst stark abgekühlt, so dass sie nur
noch etwa einen Zentimeter pro Sekunde schnell sind. (Im
thermischen Atomstrahl sind es etwa 100 Meter pro Sekunde.) Die
langsamen Atome werden dann mit einem Laser nach oben
beschleunigt und durchlaufen eine ballistische Flugbahn (deswegen
der Ausdruck Cäsium-Fontäne), hierdurch kann die effektive
Wechselwirkungsdauer der Atome mit den eingestrahlten Mikrowellen
verlängert werden, was eine exaktere Frequenzbestimmung erlaubt.
Die Gangunsicherheit einer herkömmlichen Atomuhr beträgt etwa 1·10-14
(1 Sekunde Abweichung in 3 Millionen Jahren), die einer Cäsium-Fontäne
liegt nur bei etwa 1·10-15 (1 Sekunde Abweichung in 30 Millionen
Jahren).
Neben Cäsium werden auch Rubidium, Wasserstoff und andere Atome
oder Moleküle für Atomuhren verwendet. Um größere
Genauigkeiten zu erreichen, was erstrebenswert ist, um
physikalische Experimente genauer durchführen zu können, werden
zur Zeit Experimente mit Elementen gemacht, die geeignete Übergänge
bei optischen Wellenlängen haben. Hierdurch erreicht man
Frequenzen von hunderten Terahertz an Stelle der herkömmlichen 9
GHz. In diesen Experimenten werden einzelne Ionen in einer Paul-Falle
gespeichert und ein Laser wird auf einen schmalbandigen Übergang
(meist ein Quadrupol- oder Oktupolübergang) stabilisiert. Die
technische Herausforderung dabei ist es, die hochstabile
Laserfrequenz auf elektronisch messbare Frequenzen
herunterzudividieren. Hierzu wurde am Max-Planck-Institut für
Quantenoptik ein Verfahren entwickelt.
Eine andere Entwicklungslinie neben den hochpräzisen Uhren
verfolgt den Bau preiswerterer, kleinerer, leichterer und
energiesparenderer Uhren, z.B. für den Einsatz in Satelliten,
Raketen oder Drohnen. Satellitennavigationssyteme wie GPS,
GLONASS oder (zukünftig) Galileo benutzen Atomuhren in ihren
Satelliten, um durch ihre hochgenaue Zeit die
Positionierungsgenauigkeit zu erhöhen. Im Jahr 2003 ist es
gelungen, eine Rubidiumatomuhr zu bauen, die nur ein Volumen von
40 cm3 einnimmt und eine Leistung von einem Watt verbraucht.
Dabei erreicht sie eine Gangunsicherheit von ca. 3·10-12. Das
entspricht einer Abweichung von einer Sekunde in 10.000 Jahren,
und damit ist die Uhr zwar deutlich ungenauer als die großen
stationären Atomuhren, aber erheblich genauer als eine Quarzuhr.
(Genaue Quarzuhren haben eine Abweichung von einer Sekunde in
einem Monat, verglichen mit diesen ist diese kleine Atomuhr 120.000
mal genauer.) Bei Atomuhren in Satelliten müssen fünf
relativistische Effekte berücksichtigt werden, die eine
Gangdifferenz zu den erdgebundenen Atomuhren verursachen.
In Deutschland sind mehrere Atomuhren bei der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig in Betrieb, darunter auch
eine Cäsium-Fontäne im Regelbetrieb. Über einen
Langwellensender in Mainhausen-Mainflingen bei Frankfurt erhalten
in Mitteleuropa alle Funkuhren, über den Sender DCF77 ihr Signal.
Das britische Pendant zu DCF77 ist der Sender MSF60. Mittels
Network Time Protocol (NTP) werden die Zeitimpulse zahlreicher
Atomuhren auch im Internet zur Verfügung gestellt.
Eine weitere Atomuhr, allerdings in Form einer Rubidium-Atomuhr,
dient in Donebach als Oszillator zur Erzeugung der Trägerfrequenz
des dort befindlichen Langwellenrundfunksenders.